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Bräute für Indiens Norden

Frau im Zug
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Die Frau als Ware? Im vergangenen Jahr forderten unverheiratete Männer bei Wahlen im Bundesstaat Haryana von den Kandidaten Bräute als Gegenleistung für ihre Stimmen

Nach der jahrzentelangen Benachteiligung von Mädchen ist die Geschlechterverteilung in Indien in Schieflage geraten: ein Interview über Heiratsmigration und Frauenmangel mit der Soziologin Ravinder Kaur.

In manchen Regionen Indiens sind viele Männer unverheiratet, da nach der jahrzehntelangen Bevorzugung von Jungen und der Diskriminierung von Mädchen die Geschlechterverteilung in eine Schieflage geraten ist. Die Ehe gilt in Indien aber nach wie vor als gesellschaftliche Pflicht, daher führt die pure Verzweiflung zunehmend zu interregionalen und interkulturellen Ehen, die das rigide Ehe und Kastensystem Indiens aufweichen. Die Bundesstaaten Punjab, Uttar Pradesh und Haryana sind von Frauenmangel besonders betroffen, und in den letzten Jahrzehnten haben sich informelle Netzwerke herausgebildet, die die Migration von Bräuten aus den östlichen und südlichen Bundesstaaten in den Norden erleichtern.

Die Frauen, meist aus armen Familien, überwinden nicht nur geographische Grenzen, sondern auch solche der Kaste, Kultur, Sprache und Ethnie, manchmal sogar der Religion. Aufgrund der verschobenen Geschlechterverteilung, aber auch wegen der Armut brechen viele interregionale Heiraten mit traditionellen Prinzipien der Ehe in der indischen Gesellschaft. In der Öffentlichkeit ist eine Debatte darüber entbrannt, ob die interregionale Ehe eine Form des Menschenhandels ist oder lediglich eine gesellschaftliche Reaktion auf demographische Veränderungen.

Frau Professor Kaur, Sie haben sich intensiv mit dem Phänomen der interregionalen Ehe, wie es in Indien genannt wird, beschäftigt. Was kennzeichnet eine interregionale Ehe, und wie unterscheidet sie sich von der herkömmlichen Form der Ehe in Indien?

In den meisten Regionen Indiens, insbesondere im Norden, ist die – häufig arrangierte – Ehe traditionell so gestaltet, dass die Frau nach der Hochzeit aus ihrer Familie in die Familie ihres Ehemanns zieht. Die Möglichkeit und die kulturelle Akzeptanz einer Heirat zweier Personen und deren jeweiliger Familie beruhen auf dem Konzept der Exogamie, das heißt der Heirat außerhalb des eigenen gotra oder Clans, aber innerhalb derselben Kaste. Die Daten des jüngsten National Sample Survey (NSS 2007-8) zeigen, dass 91,2 Prozent der Frauen in ländlichen Gebieten und 60,8 Prozent der Frauen in den Städten für ihre Ehe den Ort gewechselt haben.

In Nordindien kommen die Ehepartner traditionell aus verschiedenen Dörfern derselben Region. Allerdings sieht man zunehmend Ehen, die über eine weite Entfernung und die Grenzen der Bundesstaaten, aber auch kulturelle und Sprachgrenzen überschreitend arrangiert werden. Insbesondere in den Bundesstaaten Haryana, Punjab und Uttar Pradesh werden immer mehr Bräute aus dem Osten und dem Süden des Landes «importiert». Daraus entstehen Ehen, die die Grenzen von Kaste, Kultur, Sprache, Ethnie – manchmal sogar Religion – überschreiten. Meine Forschungsarbeit hat sich in den letzten zehn Jahren auf diese Form der Ehe konzentriert. Mir geht es darum, sowohl die Antriebskräfte dieses Trends, dieser demographischen Muster, als auch die Art und Weise zu verstehen, wie diese Ehen arrangiert werden.

In den genannten Bundesstaaten herrschen immer noch patriarchalische Normen vor, und die Verschiebung der Geschlechterverteilung ist die Folge einer jahrzehntelangen Bevorzugung von Jungen. Die Diskriminierung der Mädchen vor und nach der Geburt hat zur Folge, dass z.B. in Haryana laut der letzten Volkszählung im Jahr 2011 nur 877 Frauen auf 1 000 Männer kommen. Dieses demographische Ungleichgewicht führt dazu, dass viele Männer unverheiratet – und verzweifelt – sind. In Haryana ging vor den Wahlen in 2014 sogar ein Zusammenschluss unverheirateter Männer auf die Straße und forderte von den Kandidaten Bräute als Gegenleistung für ihre Stimmen.

In Indien ist die Ehe nach wie vor eine gesellschaftliche Pflicht und ein wichtiger Aspekt des sozialen Erwachsenseins. Das Umwerben und voreheliche Beziehungen sind gesellschaftlich nicht akzeptiert, auch wenn sich dies in den Städten langsam ändert. Heirat und die entsprechende Mitgift bestimmen nach wie vor den gesellschaftlichen Status von Familien, und wer nicht verheiratet ist, ist von der Gesellschaft ausgeschlossen. Das erklärt die Verzweiflung, mit der unverheiratete Männer in weit entfernten Regionen nach einer Braut suchen, sei es in Kerala, West-Bengalen, Assam, Tripura, Odisha, oder sogar grenzüberschreitend in Bangladesh und Nepal.

Eine Feldstudie zu den Auswirkungen der Geschlechterrelationauf die Heiratsmuster in Haryana von Drishti Stree Adhyayan Prabodhan Kendra in 10 000 Haushalten zeigte, dass mehr als 9 000 Ehefrauen in Haryana aus anderen Bundesstaaten stammen. Die Grafik bildet die Geschlechterrelation in verschiedenen Bundesstaaten ab (Anzahl der Frauen und Mädchen pro 1000 Männer und Jungen (Kinder 0–6 Jahre)): Bild entfernt.

Wer sind die Männer und Frauen, die außerhalb ihrer Kaste und ihrer Sprach und kulturellen Grenzen heiraten, und was veranlasst sie zu diesen Ehen?

Das Phänomen ist ein ganz besonderer Typ der Heiratsmigration, der in hohem Maße einerseits durch Armut und andererseits durch die Verschiebung der Geschlechterrelation bestimmt wird. Die Männer kommen aus allen Kasten, sind meist weniger gut gebildet und haben wenig oder keinen Grundbesitz. Oft sind es Landarbeiter oder arbeitslose Jugendliche, die aufgrund ihres niedrigen sozialen Status auf einem hart umkämpften Heiratsmarkt keine Frau finden. Viele von ihnen sind bereits älter, da sie schon einige Jahre lang vergeblich auf der Suche nach einer Frau sind, manche sind körperbehindert. Wenn weder ein soziales Sicherungsnetz noch eine staatliche Altersversorgung bestehen, ist die Gründung einer Familie eine natürliche Überlebensstrategie.

In ihrer Verzweiflung verlangen die Familien der Männer meist nicht einmal eine Mitgift von der Braut aus einer anderen Region. Die Frauen, die für diese Art von Ehen migrieren, kommen meist aus sehr armen Familien, für die eine Mitgift der wirtschaftliche Ruin bedeuten kann. Sie leben normalerweise in Gebieten, in denen die Geschlechterverteilung eher ausgeglichen ist, die Familie aber die lokal übliche Mitgift nicht aufbringen kann. Manche waren bereits verheiratet und die Beziehung ist gescheitert, oder ihr Mann hat sie verlassen. Dann sind die Chancen, in der eigenen Gemeinschaft erneut zu heiraten, sehr gering, denn getrennte oder geschiedene Frauen sind auf dem Heiratsmarkt nach wie vor stigmatisiert. Hat eine Frau geheiratet und ist in die Familie des Mannes übergesiedelt, wird es sehr schwierig für sie, in ihre eigene Familie zurückzukehren, in erster Linie, weil sie damit Schande über ihre Familie bringt, aber auch, weil sie eine finanzielle Last darstellen würde, denn sie wäre ja ein weiteres Familienmitglied, das durchgefüttert werden müsste.

Für viele ist daher die interregionale Ehe die einzige bzw. wirtschaftlich günstigste Möglichkeit der Existenzsicherung. Für die Familien dieser Frauen bedeutet die interregionale Ehe der Tochter häufig eine wesentliche wirtschaftliche Erleichterung. Viele der Familien, mit denen ich gesprochen habe, hatten mehrere Töchter, was eine enorme finanzielle Belastung darstellt. Sie haben von Bundesstaaten wie Haryana und Punjab gehört, wissen, dass das reiche Landwirtschaftsregionen mit einem höheren Pro-Kopf-Einkommen sind. Daher nehmen sie an, dass es ihren Töchtern dort gut gehen wird.

Wie werden diese Ehen arrangiert?

Ethnologen beschäftigen sich seit den 1980er Jahren mit interregionalen Ehen, es gibt sie aber schon wesentlich länger, denn die Geschlechterrelationen in den genannten Regionen sind schon seit 100 Jahren oder gar noch länger verschoben. Schaut man sich diese Ehen an, erkennt man schnell, dass es die migrierten Frauen selbst sind, die die Ehen für andere Frauen aus ihrer Heimat organisieren. Man nennt das eine Kettenheiratsmigration: Eine Frau, zum Beispiel aus Assam, ist nach Haryana migriert. Dort sieht sie mehr Männer, die ebenfalls Frauen suchen, also ermutigt sie Frauen aus ihrer Heimatgemeinde, eine Fernehe einzugehen.

Es ist keineswegs einfach für die Frauen, ihre Heimat zu verlassen und sich in eine neue Familie zu integrieren, insbesondere da die Sprache und die Bräuche unter Umständen ganz anders sind. Wenn sie nun Frauen aus ihrem Heimatdorf dazu bewegen können, einen Mann aus ihrer neuen Gemeinde zu heiraten, und zwar ohne Mitgift, dann formen sie gleichzeitig eine Gemeinschaft für sich selbst, fernab von ihrer alten Heimat und den alten Netzwerken. Außerdem haben die Frauen, die sich als Ehemaklerinnen betätigen, die Möglichkeit, in ihre alte Heimat zu reisen, was sie sich sonst normalerweise nicht leisten könnten oder die Familie ihres Mannes nicht erlauben würde.

Als Maklerinnen arrangieren sie nicht nur die interregionale Ehe, sondern organisieren häufig auch die Hochzeit selbst. Was sie von gewerbsmäßigen Maklern unterscheidet, ist die Tatsache, dass sie dabei kein Geld verdienen. Das Geld, das sie bekommen, deckt lediglich ihre Reisekosten sowie die Kosten der Heiratszeremonie. Die ledigen Männer in Staaten wie Haryana, Punjab und Uttar Pradesh erfahren meist durch Mund-zu-Mund-Propaganda von der Möglichkeit einer interregionalen Ehe. Mancherorts sind diese Ehen recht weit verbreitet, und man geht offen damit um.

Die gewerbsmäßige Heiratsmigration, die von männlichen Maklern organisiert wird, ist dagegen noch selten. Sie ist in keiner Weise vergleichbar mit den Agenturen in Südkorea, Singapur oder Taiwan, die Ehen mit Frauen aus weniger entwickelten südostasiatischen Ländern arrangieren. Die Agenturen dort kümmern sich um alles, von Pass und Visum bis zu Sprach- und Kulturtraining für die Frauen. In Indien dagegen werden interregionale Ehen weitgehend informell organisiert.

Gibt es Fälle von Menschenhandel oder erfolgen die meisten interregionalen Ehen mit beidseitiger Zustimmung, also von Braut und Bräutigam?

Interregionale Ehen sind in den letzten Jahren in Indien zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit gelangt. Es wird in unterschiedlichster Weise über dieses Phänomen gesprochen und geschrieben, und folglich gibt es auch ganz unterschiedliche Sichtweisen. Manche Wissenschaftler und Menschenrechtsaktivisten nennen es Brautkauf, Menschenhandel, gar Sexsklaverei und verurteilen es als eine Form der Kommodifizierung von Frauen.

Zugegeben, es gibt Einzelfälle, auf die das alles zutrifft, und diese Frauen sind in vielerlei Hinsicht höchst verwundbar. Im Allgemeinen aber sehe ich interregionale Ehen als ein sich vor unseren Augen entwickelndes gesellschaftliches Phänomen. Es ist die Folge demographischer Veränderungen und kann langfristig sogar die rigiden Vorstellungen des indischen Ehesystems aufweichen. Es gibt viele Arten von Ehen, und die interregionale Ehe nur als Brautkauf zu sehen ist eine unzulässige Vereinfachung. Alle arrangierten Ehen sind in gewisser Weise eine wirtschaftliche Transaktion. Das Konzept der Mitgift zum Beispiel sollte eher "Bräutigampreis" genannt werden, da sie der Familie der Braut einen guten Bräutigam für ihre Tochter garantiert, je nachdem, wie viel Geld gezahlt wird. Man könnte also durchaus auch sagen, dass sich die Männer auf dem Heiratsmarkt verkaufen.

Ich bin der Meinung, dass Brautkauf hier nicht das zentrale Problem ist, denn das würde ja bedeuten, dass die Familie der Braut, ihr Bruder oder ein Vormund Geld erhält. In den zehn Jahren, in denen ich mich mit dieser Frage beschäftige, sind mir nur ganz wenige solcher Fälle begegnet. Das Geld, das in dem Prozess fließt, deckt zumeist nur die Ausgaben der Maklerin, die, wie bereits erwähnt, häufig migrierte Frauen sind, die die Heirat organisieren.

Fälle von Menschenhandel sind vorgekommen: Meist sind männliche Makler daran beteiligt, die in den vergangenen zehn Jahren auf diese Weise zu agieren begonnen haben. Diese männlichen Makler suchen Frauen auf Anfrage von Männern, die selbst keine Frau finden. Funktioniert eine Verbindung nicht, wird die Frau unter Umständen an den nächsten Kandidaten weitergereicht – was vielleicht, vielleicht auch nicht, funktioniert. Diese Fälle gibt es, und sie zeigen in der Tat einen besorgniserregenden Trend zur Kommodifizierung von Frauen. Es wurden Fälle berichtet, in denen Frauen an Bahnhöfen in West Bengal oder in Neu Delhi betäubt und zum Beispiel nach Haryana, weit weg von ihrer Heimat, entführt wurden. Diese Kommerzialisierung des Brauthandels ist die dunkle Seite der interregionalen Ehe. Es gab aber auch schon andere Fälle, bei denen die Bräute mit den Maklern unter einer Decke steckten und sich nach kurzer Ehe mit den Wertsachen des Bräutigams aus dem Staub machten.

Wie sehen Sie diese Ehen, insbesondere die Situation und den Status der Frauen?

Es gibt viele, die in den Frauen, die eine interregionale Ehe eingehen, lediglich Opfer von Menschenhandel oder Sexsklaverei sehen. Ich möchte die Vulnerabilität der betroffenen Frauen nicht herunterspielen, plädiere aber dafür, etwas differenzierter auf diese Ehen zu schauen. Wenn wir interregionale Ehen als Sexsklaverei bezeichnen, dann müsste das potenziell für viele Ehen in Indien gelten, denn es gibt noch kein Gesetz im Land, das Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe stellt.

Traditionell arrangierte Ehen in Indien sind oft mit ähnlichen Problemen belastet, daher schlage ich vor, die interregionalen Ehen nicht nur aus einem einzigen Blickwinkel zu betrachten. In den traditionellen und den interregionalen Ehen ist es die Frau, die ihre Familie verlässt und in den Familienverband ihres Mannes zieht. Sie braucht in jedem Fall Zeit, um sich an die neue Umgebung anzupassen. Sie ist in einer neuen Gemeinschaft und auf der untersten Stufe der Hierarchie, häufig wird sie als Magd missbraucht. Ihr Status verbessert sich erst, wenn sie einen Sohn geboren hat. Das ist leider die harte Realität vieler, wenn nicht der meisten Frauen in Indien, insbesondere im Norden.

Die Eheerfahrung einer Frau in einer grenzüberschreitenden Ehe ist aller Wahrscheinlichkeit nach anstrengender: Diese Frauen haben die geographischen Grenzen, aber auch die von Kaste, Religion und Sprache überschritten, im Grunde haben sie ihre gesamten Kultur hinter sich gelassen. Ihre Identität steht auf dem Spiel. Diese Frauen müssen in ihrer Rolle als Ehefrau viele Erwartungen der neuen Familie erfüllen, die sie in erster Linie als Hilfe im Haushalt und in der Landwirtschaft "importiert" hat. Die Geschlechterrollen in Nordindien sind nach wie vor sehr starr, so weigern sich Männer, im Haushalt zu helfen und wenn sie sogenannte "Frauenarbeit" leisten, schlägt ihnen Verachtung entgegen. Viele dieser Frauen müssen extrem viel und hart arbeiten, und meiner Meinung nach hat die interregionale Ehe immer auch mit Arbeitsmigration zu tun. Die Frauen leisten produktive und reproduktive, sexuelle und emotionale Arbeit – ganz zu schweigen von der Hausarbeit. Leider wird das, was die Frauen in die Ehe in Form von Arbeit einbringen, nicht sehr hoch bewertet.

In den Jahren als Wissenschaftlerin habe ich gesehen, wie sich Frauen anpassen und im Laufe der Zeit mit ihrem neuen Leben arrangieren. Eines ist mir dabei immer wieder aufgefallen: Das Bildungsniveau der Frauen spielt in der Art und Weise, wie die Frauen sich in ihrem neuen Leben zurechtfinden, eine wichtige Rolle. Frauen mit einer gewissen Bildung – das zeigt sich insbesondere bei den Frauen aus Kerala –  erarbeiten sich in ihren neuen Familien schneller eine stärkere Position als weniger gut gebildete Frauen, die im Schnitt länger auf der untersten Hierarchiestufe bleiben. Ärmere Frauen haben es häufig schlechter und werden zum Beispiel oft daran erinnert, dass sie "gekauft" wurden und daher "Eigentum" der Familie sind, in die sie eingeheiratet haben. Hat eine Familie mehrere ledige Söhne, kann es vorkommen, dass die Mutter die Braut zwingt, mit allen Brüdern zu schlafen, wir nennen das fraternale Polyandrie. Mir sind solche Fälle bekannt.

Viele Frauen gewöhnen sich nur schwer an den ghunghat genannten Gesichtsschleier, den sie aus ihrer Kultur nicht kennen. Auch die auf Weizen und Linsen basierende Ernährung ist ganz anders als die Fisch- und Reisgerichte ihrer Heimat. Gelingt es einer Frau jedoch, ein gutes Verhältnis zu ihrem Mann und ihrer Schwiegermutter aufzubauen und lernt sie die lokale Sprache, integriert sie sich recht gut. Und sobald Kinder da sind, fühlt sie sich ihrer neuen Familie verpflichtet, ganz gleich, wie schwierig die Dinge liegen.

Aufgrund der Entfernung zu ihren alten Familien haben Frauen in interregionalen Ehen den großen Nachteil, dass sie wenig autonom sind, da sie nicht auf Angehörige oder andere Unterstützungsnetze zurückgreifen können. An wen wenden sie sich, wenn sie Hilfe brauchen, weil sie in ihrer angeheirateten Familie schlecht behandelt werden? Interregionale Ehen sind heute in manchen Regionen, zum Beispiel Haryana, recht weit verbreitet, aber es gibt noch keinerlei Bemühungen, Unterstützung für diese Frauen zu organisieren. Ich bin der Ansicht, dass dies Sache des Staates ist, und habe das Problem daher der Regierung von Haryana vorgetragen, und ich habe mit der Ministerin für Frauen und Kinder in Delhi gesprochen. Aber niemand hat sich wirklich dafür interessiert. Da ist noch viel an Aufklärungsarbeit zu leisten.

Das Interview führte Caroline Bertram.

Dieser Artikel erschien in Perspectives Asien, Ausgabe 3/Januar 2015: Ein Kontinent in Bewegung.